Digitaler Wandel in der neuen Normalität

Digitaler Wandel in der neuen Normalität

Die Corona-Pandemie hat den digitalen Wandel massiv beschleunigt. Und plötzlich richten sich alle Augen auf den Chief Digital Officer. Dieser sollte vor allem vier Punkte beachten.

Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach digitalen Diensten und Produkten massiv verstärkt. Die Online-Bestellungen – von Lebensmitteln bis hin zur Telemedizin – haben weltweit stark zugenommen. Dies zeigen Umfragen von McKinsey zur aktuellen Konsumentenstimmung. Gleichzeitig verlassen sich Hunderte von Millionen von Mitarbeitern an entfernten Standorten auf Kollaborationstools und Online-Prozesse, um ihre Arbeit zu erledigen.

Diese neue digitale Realität stellt eine einzigartige Herausforderung für Führungskräfte dar – insbesondere für den Chief Digital Officer (CDO). Da die Rolle des CDO relativ neu ist, wird dies wahrscheinlich die erste grössere Krise sein, mit der er oder sie konfrontiert ist. An ihm oder ihr liegt es nun, die digitalen Veränderungen weiter voranzutreiben, die das Unternehmen in der neuen Normalität braucht.
 

Dabei sollten die CDOs vier Dimensionen beachten:
 

1. Seien Sie eine belastbare Führungspersönlichkeit für die Organisation und Ihre Mitarbeiter

Die Coronavirus-Pandemie ist eine Krise, die auf das Leben der Menschen zum Teil verheerende Auswirkungen hat. Führungskräfte brauchen Einfühlungsvermögen, ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Mitarbeiter und einen klaren Kopf, um Massnahmen zu treffen, die die Lage beruhigen.

Die Umstellung auf Fernarbeit und die wirtschaftliche Unsicherheit haben viele Menschen stark unter Druck gesetzt. Wenn diese Situation schlecht bewältigt wird, kann sie zu einem Burn-out führen. CDOs sollten sich überlegen, wie sie die Arbeitsflexibilität erhöhen können, um Mitarbeiter zu unterstützen, die sich zu Hause auch noch um Kinder kümmern müssen. Sie können etwa Zeitpläne verschieben, den Zugang zu Ressourcen wie Tools und Intranets für den Informationsaustausch bereitstellen und weniger digital fitte Kollegen weiterbilden, damit sie sich durch die neuen Anforderungen nicht überfordert fühlen. Sie sollten auch mit regelmässigen Pulsumfragen das geistige und körperliche Wohlbefinden der Mitarbeiter abfragen. Denn die Menschen sind die wertvollste Ressource eines Unternehmens.

Digitale Transformationen haben einen funktionsübergreifenden Charakter. Die CDOs sollten darum in ständiger Kommunikation mit den wichtigsten Führungskräften im Unternehmen stehen. So können sie mit dem CFO zusammenarbeiten, um digitale Initiativen zu identifizieren, die zum Aufbau der Liquiditätsreserven beitragen können. Sie sollten sich mit dem CIO abstimmen, um Prioritäten bei digitalen Technologien zu setzen. Sie müssen auch mit dem Chief Human Resources Officer (CHRO) besprechen, welche neuen Talente es im Unternehmen braucht, um den Anforderungen des digitalen Wandels gerecht zu werden. Und natürlich sollten sie mit dem CEO zusammenzuarbeiten, um die Organisation für Konzepte zu mobilisieren, die in vielen Fällen neu oder nicht besonders bekannt sind, etwa digitale Elemente des Betriebsmodells oder digital betriebene Geschäftsmodelle.
 

2. Die digitale Strategie neu entwerfen und die Produkt-Roadmap neu austarieren

Um dem Anstieg der Nutzung digitaler Kanäle durch Mitarbeiter und Kunden gerecht zu werden, müssen CDOs sich nicht nur auf die kurzfristigen Bedürfnisse, sondern auch auf die Entwicklung einer klaren Perspektive für die längerfristige digitale Zukunft des Unternehmens konzentrieren. Eine digitale Initiative ist nur dann leistungsstark, wenn sie eng mit der Gesamtstrategie des Unternehmens abgestimmt ist. CDOs können dabei helfen, neue potenzielle Wertquellen zu identifizieren, sei es durch eine bessere Anpassung auf das veränderte Kundenverhalten oder durch die Entwicklung von neuen digitalen Geschäftsmodellen.

Gleichzeitig sollte der CDO eng mit seinen Produktführern, dem CMO und dem CIO zusammenarbeiten, um die Prioritäten der Produkt-Roadmap so zu verschieben, dass Ressourcen zur Verfügung stehen, um die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen. Zum Beispiel:

  • Kunden auf eine Weise bedienen, die ihre Gesundheit schützt. Das kann etwa durch die Einführung von QR-Zahlungen oder den Aufbau kontaktloser Produktlieferungen geschehen. In den USA hat Walgreens einen Service eingeführt, bei dem Mitarbeiter Bestellungen zusammenstellen und an einem drive-through-Fenster an die Kunden ausliefern.
  • Interaktionen digitalisieren, die früher persönlich abgewickelt wurden. Dazu gehören etwa die Erneuerung von Debitkarten oder die Sicherstellung von Dienstleistungen. Die in China ansässige Ping An Bank führte die neue "Do It At Home"-Funktionalität ein. Diese führte innerhalb von zwei Wochen zu mehr als acht Millionen Seitenaufrufen und fast 12 Millionen Transaktionen.
  • Kunden beim Nutzen von Online-Kanälen unterstützen. Dazu kann man zum Beispiel neue Anreize schaffen und die Kapazitäten der Helpdesks erweitern
  • Back-Office-Tätigkeiten digitalisieren und automatisieren.
  • Innovative Lösungen schnell als rentable Mindestprodukte (MVPs) bereitstellen. Bestimmte Mobilfunknetzbetreiber stellen ihren Kunden zum Beispiel Online-Coupons für kostenlose mobile Daten für bis zu zwei Monate zur Verfügung, einige Medienunternehmen locken die Kunden mit kostenlosen E-Book- und E-Magazin-Abonnements.
  • Ausbau der Infrastruktur, um die Entwicklung neuer digitaler Kanäle zu unterstützen. Dabei könnte sich etwa die Nutzung von Mikrodiensten als nützlich erweisen oder die Migration bestimmter Fähigkeiten in die Cloud.
     

3. Der Kunde ist auch in der digitalen Welt der König

Die besten CDOs fungieren als Stimme des Kunden und stellen sicher, dass der Kunde bei allen Entscheidungen im Mittelpunkt steht. Im gegenwärtigen Umfeld bedeutet das, eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, wie sich die Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Kunden ändern, welche davon wahrscheinlich Bestand haben werden und welche Auswirkungen dies auf das Geschäft hat. Diese Kundenperspektive sollte sowohl Führungscrew als auch dem gesamten Unternehmen vermittelt werden.

Da sich das Kundenverhalten in einem massiven Wandel befindet, können sich CDOs nicht auf die Wahrheiten der Vergangenheit verlassen. Sie sollten die Kundenprioritäten ständig neu bewerten, etwa durch Test- und Lernübungen, Kundenumfragen und eine genaue Datenanalyse. Und natürlich sollten auch die bisherigen Kanäle für Kundenfeedbacks genutzt werden.

Während die Unternehmen neue Angebote, Kanäle und Kommunikationsmittel testen, die durch die Krise notwendig geworden sind, muss der CDO über eine sensible Verfolgungs- und Analysefähigkeit verfügen, um zu verstehen, was funktioniert – und was nicht. Um diese Fähigkeit zu institutionalisieren, sollten CDOs erwägen, eine eigene Truppe zu schaffen, deren einzige Aufgabe darin besteht, ein tieferes Verständnis für die Kunden zu entwickeln. Denn die gesammelten Kundenerkenntnisse sollten bei der Neuformulierung der Produkt-Roadmap Prioritäten setzen.
 

4. Remote Work– aber richtig

Agiles Arbeiten ist ein bewährtes Modell für Teams, die schnell und effizient arbeiten wollen. In der Vergangenheit ging es jedoch vor allem um die Frage der Skalierbarkeit. Jetzt, wo die Arbeitsbedingungen aus der Ferne zum neuen Standard geworden sind, können CDOs den Moment als Gelegenheit nutzen, um besser zu verstehen, was es braucht, um agil zu skalieren.

Damit dieses neue agile Modell funktionieren kann, muss sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter auch aus der Ferne zusammenarbeiten können. CDOs sollten für ihre Entwickler beispielsweise Umgebungen bereitstellen, in denen sie aus der Ferne Beiträge leisten und in der automatisierte Einsätze stattfinden können. Viele chinesische Unternehmen nutzen etwa lokale Produktivitätslösungen wie DingTalk oder WeChat Work von Alibaba. Damit können sie kommunizieren und wöchentliche Sitzungen, Schulungen und Vorträge abhalten.
 

Fazit

Am wichtigsten ist vielleicht, dass der CDO sicherstellt, dass eine Kultur des Experimentierens aufrechterhalten wird. Das beste Lernen kommt aus dem Tun, und etwas Neues auszuprobieren führt unweigerlich auch zu Misserfolgen. Aber wenn Menschen Angst davor haben, für ihr Scheitern bestraft zu werden, werden sie nicht experimentieren.

Die Führung einer Organisation in einer Krisenzeit ist eine der grössten Herausforderungen, denen sich ein CDO stellen kann. Aber gerade in der gegenwärtigen Situation braucht es digitale Lösungen. Und ein CDO mit Überblick, Anpassungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen wird ein Unternehmen langfristig erfolgreicher machen können.